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Wörgls Pfarrer Theo Mairhofer über seinen Aufenthalt in Uganda

 

Theo Mairhofer mit einem schon in die Jahre gekommenen Kuhhirten, der in der Nähe von Mizigo arbeitet und dem er hin und wieder einen Besuch abstattete. Leben in Uganda heißt andere Standards: Die Küche des Tagungshauses von Mizigo/Mityana.(Fotos: Theo Mairhofer/privat)

„Uganda ist ein tolles Land! Der Afrika-Virus hat mich voll erwischt – ich habe diese Menschen ins Herz geschlossen und bin fasziniert von ihrer Herzlichkeit, Lebendigkeit und Gastfreundschaft“, gerät Wörgls Stadtpfarrer Theo Mairhofer ins Schwärmen, wenn er von seinem zehn Monate dauernden Missionsaufenthalt erzählt, bei dem er die hellen, aber auch die dunklen Seiten des Entwicklungslandes kennenlernte.

Missionsarbeit versteht Theo Mairhofer nicht als Einbahn, im Gegenteil. Er reiste als Hörender und Lernender in eine ganz andere Welt, in der er sich anfangs absolut fremd fühlte. Schon bei der Ankunft am Flughafen in Entebbe stellte er fest – hier läuft alles ganz anders! „Vergleiche nicht“, gab man ihm als Tipp mit auf den Weg, der ihn in die Missionsstation Mizigo am Stadtrand vom Mityana in Mitteluganda führte, deren Einwohnerzahl zwischen 40.000 und 70.000 Menschen schwankt.  Dieses Tagungshaus der Diözese,  seit 2010 geleitet von den beiden aus Österreich stammenden Marienschwestern vom Berge Karmel Sr. Elisabeth und Sr. Margit wurde sein Zuhause und die beiden Schwestern eine wertvolle Hilfe beim Kennenlernen der neuen Umgangsformen und Regeln.

Zu den ersten Erfahrungen in Uganda zählte für Theo, völlig abhängig zu sein: Nicht ohne Begleitung außer Haus zu gehen, ständig angewiesen sein auf andere. „Erst später kam der Aha-Effekt – diese Menschen haben einen anderen Lebensrhythmus und ein anderes Zeitgefühl, bedingt durch das Klima und kulturelle Traditionen“, stellte Theo fest. So galt es etwa im Buganda-Reich als verpönt, sich schnell zu bewegen. Und er entwickelte auch ein Verständnis dafür, dass er ständig um Geld gebeten wurde: „Als Weißer ist man automatisch reich. Das liegt auch daran, wer als Weißer nach Uganda kommt: Projektleiter, Uno-Mitarbeiter, Touristen – die haben alle Geld.“ Ein Pfarrer in Uganda hat einen Monatslohn von 20 Euro – und Benzin ist gleich teuer wie in Österreich. Ohne Spenden wäre die Arbeit der Seelsorger gar nicht möglich. „Can you support me? Diesen Satz habe ich am öftesten gehört“, sagt Theo, auch von Kindern und Studenten. Um Schule zu gehen oder zu studieren, brauchen sie Geld – der Unterricht ist zwar gratis, aber Schuluniformen, Bücher etc. sind zu bezahlen. Ein schier unlösbares Problem für die Armen, die bei fehlender Mittelschicht und ganz kleiner, sehr reicher Oberschicht die Mehrheit der Bevölkerung ausmachen. Viele müssen mit weniger als einem Euro am Tag leben, die Arbeitslosigkeit liegt bei 40 %, 80 % davon sind Jugendliche. Weder das Sozial- noch das Gesundheitssystem funktioniert.  

Das Bevölkerungswachstum von einer Million Menschen jährlich stellt für den 30-Millionen-Staat, der seit 30 Jahren in Frieden lebt, eine ebenso große Herausforderung dar wie Aids und die vielen Aids-Waisen – 5 bis 15 % der Bevölkerung sind infiziert. Ebola war während Theos Aufenthalt kein Thema in Uganda, aber als neue Bedrohung wird zunehmend der Terror spürbar. „Im Norden Ugandas werden Kindersoldaten rekrutiert, Übergriffe gibt es auch im Westen Ugandas im Grenzgebiet zu Kongo. Während meiner Zeit in Uganda registrierte ich, dass zunehmend mehr Militär auf den Straßen zu sehen war, so wurden auch die Kontrollen am Flughafen verschärft“, berichtet Theo, der nicht religiöse Motive hinter dem Terror sieht. Die Drahtzieher seien Fanatiker, denen es um handfeste politische und wirtschaftliche Interessen gehe, die unter dem Deckmantel der Religion ausgetragen werden: „Es geht immer um Macht, Besitz und Erdöl. Ich bezweifle, dass die Religion der Grund ist. Es gibt in Uganda ein vorbildliches Zusammenleben von Christen und Muslimen, und auch mit den vielen freien Christengemeinden. Die Muslime sind bei den Gottesdiensten dabei, auch in der Missionsstation. Hier gilt die Stammeszugehörigkeit mehr als die Religion.“

Die ethnische Zusammensetzung macht Uganda zum Vielvölkerstaat mit dutzenden Sprachen und Dialekten. Dass die Verständigung trotzdem funktioniert liegt daran, dass Englisch als Staatssprache verwendet wird. Uganda-Englisch, an dessen Lokalkolorit in der Aussprache sich Theo auch erst gewöhnen musste. Ebenso wie an die allgegenwärtige Präsenz moderner Technik im Busch, die im krassen Widerspruch zur allgegenwärtigen Armut steht: „Die Menschen haben nichts – aber Handy und Internet funktioniert in jeder Hütte, der Fernseher läuft Tag und Nacht, solarbetrieben. Angesehen werden US-amerikanische TV-Serien. Fast jeder hat ein Handy, damit kann fast flächendeckend auch bezahlt werden. Das ist ein Milliardengeschäft, erfunden von einem Kenianer. Das Unternehmen will jetzt den Sprung in arme Länder Europas machen wie Rumänien und Bulgarien, wo auch Menschen keinen Zugang zu Bankkonten haben.“ Während sich in den westlichen Ländern die Technik Schritt für Schritt entwickelte, wurde Uganda ins 21. Jahrhundert katapultiert und wird von der Globalisierung überrollt, wobei vor allem Indien und China großes wirtschaftliches Interesse an den Bodenschätzen haben.

Missionsarbeit – aber wie? Projekte und der Alltag in Uganda

Theo Mairhofer bekam durch seine Haltung, als Hörender und Lernender nach Uganda zu fahren, einen anderen Zugang zur Bevölkerung. Er kam nicht als Projektleiter, um eine Linie vorzugeben. „Mein Privileg war, zu lernen, wie dort gelebt wird und erst dann zu entscheiden – wo bringe ich mich ein?“ schildert der Priester seine Herangehensweise an die Missionstätigkeit. So begann er mit Deutschunterricht für Mitbrüder – mit der Vision, dass Partnerschaften und entstehen und weiter gepflegt werden. So will Theo im August 2015 einem Mitbruder aus Uganda einen Monat lang den Aufenthalt in Wörgl ermöglichen.

In der Missionsstation half er zunächst bei der alltäglichen Hausarbeit mit und lernte die Nöte und Probleme der Schüler kennen. Er begleitete die Seelsorger und Schwestern in Uganda bei den Fahrten in abgelegene Regionen, lernte Schulen, Pfarren und Projekte kennen. Besonders begeisterte ihn Pfarre Kibiri in der Diözese Kasese. Kibiri liegt im Bergland im Westen Mittel-Ugandas, auf einer Seehöhe von 2000 Metern. Im dünn besiedelten Gebiet begannen Eltern einen Schulbau für ihre Kinder. So ganz anders als in Europa, wie Theo feststellte: „Bei uns wird erst einmal geplant, die Finanzierung aufgestellt – dort wird einfach mit dem Bau begonnen – zwar ohne Geld, aber mit großem Gottvertrauen.“ Das in diesem Fall mit Tiroler Hilfe belohnt wurde. Theo berichtete der Pfarre vom Schulprojekt, worauf die Volksschule Bruckhäusl den Spendenerlös ihres Charity-Laufwunders eins zu eins nach Uganda überwies und damit den Bau der Latrine für 100 Kinder ermöglichte. Pfarre und Schulprojekt sollen auch weiter unterstützt werden, wünscht sich Theo, der sich „als Brücke nach Uganda“ sieht – aber in erster Linie als Pfarrer von Wörgl: „Wir haben hier auch Arme, was unten nur schwer vorstellbar ist“, erklärt Theo Mairhofer, der bei den vielen Anfragen nach Geld trotz der Hilfsbereitschaft aus Tirol Grenzen ziehen musste und da auch schon mal erklärte: „Meine Pfarre ist keine Goldgrube, in der du Schürfrechte hast.“

Für Europäer sind die Lebensumstände in Uganda nicht nur aufgrund kultureller Unterschiede eine Herausforderung, sondern auch aufgrund hygienischer Standards. Wie verkraftete Theo Mairhofer gesundheitlich sein Afrika-Abenteuer? „Überraschend gut, bis auf einen Buschaufenthalt, bei dem ich das Wasser nicht abgekocht hatte und das Abschiedsessen“, das ihm auch nach der Rückkehr noch im Magen lag. Als im Februar Malaria-Verdacht aufkam, fuhr er sofort ins Krankenhaus, um die erforderliche Medizin zu erhalten. Was ihn auch nachdenklich stimmte: „Ein Einheimischer kann davon nur träumen…“

Wieder zurück in Wörgl, stellt der couragierte Priester fest, dass „mich Uganda verändert hat.“ Mit Dankbarkeit genieße er jetzt das Dasein in Wörgl: „So vieles ist nicht Selbstverständlich. Das zu wissen ist eine Sache – das zu erleben nochmal eine andere.“ Er würde jetzt bewusster im Heute leben und brachte auch eine „gesunde Gelassenheit“ im Reisegepäck und einen anderen Blick auf die Probleme hier mit: „Sie sind ernst zu nehmen, aber jetzt anders gewichtet.“ Zu den Erfahrungen in Afrika zählte auch, dass „Wir in Europa nicht das Gelbe vom Ei sind. Wir können ungemein viel von den Menschen dort lernen, sie haben uns viel zu sagen.“  Grundsätzlich nehme er nur Positives mit, lautet seine Bilanz und er ist überzeugt: „ Die Mission braucht es auch heute noch – Mission  nicht als Zwangsbeglückung, sondern als Hilfe zur Selbsthilfe vor dem Hintergrund der christlichen Weltanschauung und Wertevermittlung, der Herzensbildung – und die brauchen wir auch!“